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Pressemitteilung – 13. Mai 2024

„Kataklump“: Neue Ausstellung im Haus Coburg

Künstlerische und briefliche Konversationen zwischen Paul van Ostaijen und Fritz Stuckenberg stehen im Fokus der neuen Ausstellung der Städtischen Galerie Delmenhorst. „Kataklump. Heinrich Campendonk, Paul van Ostaijen, Fritz Stuckenberg“ widmet sich einer Idee, die der flämische Lyriker gemeinsam mit dem in Delmenhorst aufgewachsenen Künstler im Jahr 1920 verfolgte. Eröffnet wird die Ausstellung an diesem Freitag, 17. Mai, um 19 Uhr. Interessierte können sich die Werke bis zum 18. August im Haus Coburg anschauen.

Eine Kindereröffnung am Sonntag, 19. Mai, um 11 Uhr komplettiert das Vernissage-Wochenende. Zusammen mit Katrin Seithel probieren junge Kunstfans Schreibmaschinen aus und gehen der Frage nach, wie heutzutage Nachrichten und Bilder ausgetauscht werden. Die Teilnahme für Kinder ab vier Jahren ist kostenlos, Erwachsene zahlen den normalen Eintrittspreis.

Im Verlauf der Ausstellung gibt es performative Lesungen der Gedichte Paul van Ostaijens, die finanziell von der flämisch-niederländischen Organisation deBuren, dem Auswärtigen Amt Flanderns und dem Europäischen Laboratorium ermöglicht werden. Der erste Termin ist am Sonnabend, 25. Mai, um 19 Uhr. Übersetzerin Anna Eble und Autor Matthijs de Ridder interpretieren Paul van Ostaijens Lyrik.

Paul van Ostaijen und Fritz Stuckenberg lernten sich kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Berlin kennen. Intellektuell begegneten sie sich im Diskurs über die Abstraktion und das kreative Potenzial der Kunst. Sie sahen in der Kunst nicht nur einen Ausdruck ihrer Zeit, sondern auch ein Experimentierfeld, auf dem sich die Zukunft konstituierte. Diese Überzeugung und eine große persönliche Sympathie schweißten die beiden für einige Jahre sehr eng zusammen.

Dass Fritz Stuckenberg 1919 nach Seeshaupt zog, hatte viele Gründe. Vorangegangen waren Jahre in Berlin, in denen er sich von einem impressionistischen, den Kubismus reflektierenden Künstler zur Abstraktion hinwendete. Berlin war für ihn in vielerlei Hinsicht prägend. Seit 1916 gehörte er zum engsten Kreis der Sturm-Galerie von Herwarth Walden und stand damit im Zentrum des Berliner Kunstbetriebs. Er lernte zahlreiche Persönlichkeiten kennen und partizipierte an den internationalen Sturm-Ausstellungen. Aber spätestens nach dem Ersten Weltkrieg wurde deutlich, dass die vielfältigen Aktivitäten Herwarth Waldens unterfinanziert waren und die beteiligten Künstlerinnen und Künstler monetär nicht profitierten.

Fritz Stuckenberg wendete sich enttäuscht von dem Galeristen ab und begann, andere Zirkel zu suchen. Darin bestärkte und begleitete ihn sein enger Freund, der Lyriker und Kunsthändler Paul van Ostaijen. Mit ihm erlebte Fritz Stuckenberg die letzten, rauschenden Tage in Berlin, bevor er nach Seeshaupt zog. „Die köstliche Amoralität oder besser Antimoralität unserer Freundschaft ist ein weißglutnacktes Nervendiagramm“, schrieb Fritz Stuckenberg im Januar 1920 nach Berlin, wo sie den Jahreswechsel zusammen verbracht hatten und ihren „Sylvestersturm“ erlebten.

Aber das Landleben versprach in der krisengeschüttelten Zeit nicht nur eine bessere Versorgungslage durch Lebensmittel. Hier ließ sich auch die Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin Erika Deetjen leichter geheim halten, solange der seit 1915 in erster Ehe verheiratete Fritz Stuckenberg nicht geschieden war. Dass Heinrich Campendonk, ebenfalls ein Sturm-Künstler, hier lebte und als Mitglied der Gruppierungen „Der Blaue Reiter“ und der „Neuen Sezession“ gute Kontakte nach München unterhielt, dürfte den Ausschlag für ihre Ortswahl gegeben haben.

Obwohl Fritz Stuckenberg in den kommenden Jahren andauernde Existenzsorgen hatte, ist er in dieser Zeit künstlerisch äußerst produktiv gewesen. Zentrale Themen seiner Werke sind die Erotik und die sexuelle Ekstase, die für ihn Ausdruck einer kreativen Energie waren. In kubistischer Abstrahierung werden verschlungene Körper in Bewegung versetzt und mit kosmischen Sphären assoziiert. Nicht immer reichte das Geld für Leinwände, im Winter konnte er das unbeheizte Atelier nicht nutzen und so emanzipieren sich die Farben im kleineren Aquarell-Format zunehmend von der Form.

Der intensive Briefwechsel mit Paul van Ostaijen schildert diese entbehrungsreichen Jahre in allen Facetten. Immer wieder geht es um die Abstraktion in Bild und Lyrik, um Kunstverkäufe und Ausstellungsbeteiligungen. Sie schmiedeten Pläne, eine Künstler-Gruppe zu gründen. In ihren Briefen spielten sie mögliche Mitstreiter durch und suchten nach einem Namen.

Fritz Stuckenberg schlug am 8. April 1920 Bezeichnungen wie „die Eiferer, die Leuchtenden, die Entrückten“ vor und Paul van Ostaijen antwortete am 12. April 1920: „Eiferer finde ich zu naiv; die Leuchtenden zu pretentiös und die Entrückten zu weltfremd.“ Seine Alternativen: „der Gong (das g vorne und hinten, wie das klingt) oder der Kataklump. Diese Namen sind nicht lächerlich zu machen, ohne dass der betreffende Kritiker sich lächerlich macht.“

Die Ausstellung im Haus Coburg ist in Zusammenarbeit mit dem Museum Penzberg – Sammlung Campendonk entstanden, in dem sie 2025 gezeigt wird. Ohne die finanzielle Förderung durch die Niedersächsische Sparkassenstiftung, die Landessparkasse zu Oldenburg und den Freundeskreis Haus Coburg wäre die Ausstellung nicht möglich.

Termine: 

  • Vernissage
    Freitag | 17. Mai 2024 | 19 Uhr
    Städtische Galerie Delmenhorst | Fischstraße 30
  • Kindereröffnung
    Sonntag | 19. Mai 2024 | 11 Uhr
    Städtische Galerie Delmenhorst | Fischstraße 30
  • Lesung
    Sonnabend | 25. Mai 2024 | 19 Uhr
    Städtische Galerie Delmenhorst | Fischstraße 30

Nr. 170|24 – Städtische Galerie Delmenhorst

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